Saarner-Lieder



 

 

    Heinrich Mühlsiepen           


Nou süh e S' aan!

(Wie Saarn an seinen Namen kam)

 

 „Nou süh e’Saan“ eigentlich „Nou süh ees aan“= Nun sieh mal an!“. Das Gedicht um die Namensgebung spielt mit dem Anklang der letzten beiden Silben an den Ortsnamen „Ssaan“


 

As Kaiser Karl, so geiht die Miähr,

Genk, Wittekind te fangen,

Do koum he ouk van ungefiär

Wall hie des Wegs gegangen;

On öß he noch e Stöck van hie,

Do rekden öm bes an de Knie

De Dreck op glieker Strothen.

 

De Kaiser wor va sachtem Aht,

Man huod öm selte fluke;

Doch keuden he sech va Gef dä Bath

On fenk stark an te schmuken.

Herr Roland soug van ungefähr

De Kaiser e sie gruot Malör

On nuohm en Extra-Wagen.

 

Vier Schwatte wohde füorgespannt,

De Kaiser wies me'm Stocken,

On widder gengt op Sachseland

Held Roland fuhr vam Bocken.

Doch eß sei wor'n op der Chaussee,

hie grad, wo nou de Holsteinshöh,

Do wodde stell gehaulen.

 

Et luog för üöhr em Morgenstrahl

E Kluoster met der Kerken,

On roundheröm bes dech ant Dahl

Huoch Eiken, Büken, Berken.

De bountgefärwte grüne Eu

On mettendren en Silwerschleu

Bei us de Ruhr gehetten.       

 

De Kaiser nuohm den Dreitimp af

On diät am Brell wat röcken,

He kik herop, he kik heraf

On riep dann met Entzöcken:

"Nou süh e S'aan, nou süh e S'aan!"

On beinoh wor et drop on dran

Dat hä de Piep liet fallen.

 

 On widder gengt bes Peckes-Eck,

So ewes öm de Dreie;

Do genk em allerdiepsten Dreck

De gruote Hut öm weihe.

"Nou süh e S'aan, nou süh e S'aan!

Me wäd va Freud, va Gef hie wahn!

Dat ös en eige Gegend."

 

Et stongen ouk nie wiehd dervan

De Lüth hie ut dem Flecken,

die hurd'n et leßte Wood dervan

Wat Kaiser Karl diäth sekken.

On Saan hett doröm hie den Ort,

Ahl do, so nou on ömmerfort,

Bes dat de Welt geiht ouner.

 

Als Kaiser Karl. so geht die Sage.

ging, Wittekind zu fangen,

da kam er auch so ungefähr

wohl hier des Wegs gezogen;

und ein Stück weit von hier,

da reichte ihm bis zu den Knien

der Dreck auf der matschigen Straße.

 

Der Kaiser war von sanfter Art,

man hörte ihn selten fluchen;

doch zupfte er sich vor Wut am Bart

und fing stark an zu rauchen.

Herr Roland sah zufällig

des Kaisers großes Unglück

und nahm einen Extra-Wagen.

 

Vier Rappen wurden vorgespannt,

der Kaiser wies mit dem Stock,

und wieder gings nach Sachsenland,

Held Roland saß auf dem Bock.

Doch als sie auf der Chaussee waren,

gerade hier, wo nun die Holsteinshöhe ist,

da wurde angehalten.

 

Es lag vor ihnen im morgenstrahl

ein Kloster mit der Kirche,

und rundherum bis dichte ans Tal

hoch Eichen, Buchen, Birken.

Die buntgefärbte grüne Aue

und mittendrin eine Silberschlange

bei uns die Ruhr geheißen.

 

Der Kaiser nahm den Dreispitz ab

und rückte die Brille zurecht,

er sah herauf, er sah herab

und rief dann mit Entzücken:

„Nun sieh ’mal an’ (Saarn), nun sieh mal an!“

und beinahe wäre es passiert,

dass ihm die Pfeife hingefallen wär.

 

Und wieder gings bis Peckes-Eck,

mal eben um die Kurve;

da wehte ihm im allertiefsten Dreck

der große Hut vom Kopf.

„Nun sieh ’mal an’ ( Saarn), nun sieh mal an!

Man wird hier vor Freude und Wut noch wahnsinnig!

Das ist eine seltsame Gegend“

 

Es standen auch nicht weit davon

die Leute hier aus dem flecken,

die hörten das letzte Wort davon

was Kaiser Karl gesagt hatte.

Un Saarn heißt darum hier der Ort,

schon damals, wie heute und immerfort,

bis dass die Welt untergeht.

Share by: